Gelenkbeschwerden werden nicht nur durch physische Prozesse verstärkt – auch die Psyche mischt mit. Die gute Nachricht aber ist: Wer dem Stress den Kampf ansagt, hat gute Chancen, bald schmerzfreier zu leben. Ein Gespräch mit Expertin und Autorin („Gelenkbeschwerden natürlich heilen“) Prof. Dr. Michaela Döll über ein ganzheitliches Programm, um Gelenkschmerzen zu lindern.
Zur Person
Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll ist Autorin zahlreicher Bücher wie „Gelenkschmerzen natürlich heilen“, „Cholesterin im Griff“ und Frauenherzen schlagen anders. Sie lehrt an der Universität Braunschweig mit den Arbeitsschwerpunkten Vitalstoffmedizin, Ernährung, Zivilisations- und umweltbedingte Erkrankungen. Als ernährungsmedizinische Expertin ist sie ein bekannter Gast bei Radio- und TV-Sendungen und hält zahlreiche Vorträge zu verschiedenen Gesundheitsthemen.
Medicom: Frau Professor Döll, welche Rolle spielt die Psyche bei Gelenkbeschwerden?
Prof. Döll: Gerade bei den Schmerzen wissen wir durch die moderne Forschung, wie stark sie durch mentale, psychische Belastungen beeinflusst werden. Der Körper ist eine Einheit aus Körper, Geist und Seele – und das muss berücksichtigt werden. Dadurch ergibt sich auch Folgendes: Wer nur mit Schmerzmitteln versucht, seine Schmerzen zu behandeln, der kann nicht weit kommen. Denn Gelenkentzündungen zu behandeln, bedarf eines ganzheitlichen Programms.
Wie ist Stress im Alltag in diesem Zusammenhang zu bewerten?
Negativer Stress wirkt pro-entzündlich. Und das dürfte jeder Schmerzpatient kennen: Kommt eine psychische Belastung hinzu, kann sich der Schmerz dadurch noch einmal intensivieren. Allerdings können wir Stress heute kaum noch aus unserem Leben heraushalten. Umso mehr gilt es, besser mit ihm umzugehen.
Da muss allerdings jeder seinen Weg finden: Dem einen hilft ein entspannendes Bad – zum Beispiel mit ätherischen Ölen für die Muskeln und die Gelenke. Dem anderen hilft vielleicht eine sportliche Aktivität, ein Spaziergang. Fest steht: Der Stress muss bearbeitet und abgebaut werden. Es ist wichtig, sich darum zu kümmern und eben nicht im Hamsterrad zu bleiben.
Auch das Thema Achtsamkeit gehört dazu. Dabei geht es darum, überhaupt wahrzunehmen, wie es mir und meinem Körper geht. Wichtig: Es funktionieren nur die Dinge, die man gerne tut. Was für andere funktioniert, muss nicht für alle das Richtige sein.
Es funktionieren nur die Dinge, die man gerne tut. Was für andere funktioniert, muss nicht für alle das Richtige sein.
Ist auch Bewegungsarmut Stress für den Körper?
So kann man das sagen. Denn: Der Mensch ist für Bewegung gemacht, nicht fürs Dauersitzen.
Stress zu vermeiden, wäre demnach das natürlichste Schmerzmittel bei Gelenkbeschwerden. Was weiß man außerdem über pflanzliche Heilmittel wie Weihrauch?
Weihrauch ist eine alte Heilpflanze. Die moderne Pharmakologie konnte eruieren, welche Substanzen darin genau helfen – und das sind die Boswellia-Säuren. Sie haben eine ausgeprägte entzündungshemmende Wirkung. Außerdem zu nennen wäre der Hagebuttenextrakt, bei dem Galaktolipide die entzündungshemmende Wirkung übernehmen. Bei beiden Stoffen sind die Wirkungen durch Studien gut belegt. Das gilt übrigens auch für die Teufelskralle. Insbesondere bei der chronischen Polyarthritis kann sie sehr hilfreich sein.
… Boswellia-Säuren. Sie haben eine ausgeprägte entzündungshemmende Wirkung.
Was macht das oftmals genannte Curcumin aus?
Curcumin ist ein Polyphenol aus der Gelbwurz, also aus Kurkuma, und wirkt ebenfalls sehr gut bei Gelenkerkrankungen – und zwar sowohl bei degenerativen als auch bei den entzündungsbedingten. Im Vergleich zu den erwähnten traditionelleren Heilpflanzen gilt es als etwas moderne Pflanze.
Auch Hanf zählt mittlerweile zu den empfehlenswerten Heilpflanzen, richtig?
Absolut! Hanf hat in den letzten Jahren eine ungeahnte Renaissance erlebt. Dabei gehört er eigentlich in die klassische Schulmedizin. Die neuen Hanfformulierungen, die frei sind von rauschmachenden Substanzen, machen Hanf inzwischen gut im Alltag einsetzbar. Sowohl äußerlich als auch innerlich ist die Anwendung gut erforscht.
die Verträglichkeit von Schmerzmitteln nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab – und das Risiko, beispielsweise Magenblutungen zu erleiden, ist um den Faktor sieben höher als bei jüngeren Menschen.
Inwiefern begrüßen Sie die Entwicklung, dass es es Heilpflanzen als „Superfood“ auf die öffentliche Agenda geschafft haben?
Die Menschen sind insgesamt gesundheitsbewusster geworden – zumindest darin hat uns Corona geholfen. Gerade durch die Pandemie haben viele begriffen, wie wichtig es ist, etwas für die Gesundheit zu tun. Die Menschen sind sensibilisiert und „grüne“ Medizin ist angesagter denn je. Ganz klar: Spätestens dann, wenn man sich die Liste der Nebenwirkungen von klassischen Pharmaka anschaut, fällt es doch sehr leicht, offen für Alternativen zu sein. Gerade bei älteren Menschen sind die Nebenwirkungen vieler Medikamente nicht von der Hand zu weisen. Denn die Verträglichkeit von Schmerzmitteln nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab – und das Risiko, beispielsweise Magenblutungen zu erleiden, ist um den Faktor sieben höher als bei jüngeren Menschen. Insofern begrüße ich es, dass nicht mehr jedes Medikament unbedacht eingenommen wird, sondern viele den Blick in die naturheilkundlichen Verfahren richten.
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